Neulich war ich traurig. Die Zeitung war voller Krisenmeldungen, Moria brannte und die Politiker*innen der EU überboten sich im Zaudern. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die lieber keine Nachrichten hören und lesen, damit sie keine schlimmen Meldungen mitbekommen. Und doch war ich traurig.
Am Nachmittag besuchte ich meine Tochter mit ihrer Familie. Meine Enkelkinder strahlten mich an, wir spielten und freuten uns aneinander. Und plötzlich wurde es mir wieder klar: wir können an den Kriegen und Krisen in dieser Welt nicht mal eben so etwas ändern, nicht mal, wenn wir UNO-Generalsekretär*in wären. Aber wir können etwas für den Frieden in unserer kleinen Welt tun – im Umgang mit Familie und Freund*innen, in der Nachbarschaft, mit Kolleginnen und Kollegen. Wir können aktive Krisenintervention betreiben, mutig und vorausschauend. Und wir können aktiv für unseren eigenen Seelenfrieden sorgen.
Überlegen Sie einmal kurz, welche Art Menschen Sie am meisten nervt. Was haben diese Menschen, wie führen sie sich auf, was tun sie oder tun sie nicht? Wenn Sie Lust haben, schreiben Sie Ihre Überlegungen gleich hier auf:
Haben Sie einmal überlegt, was die Menschen, die uns mit ihrem Verhalten am allermeisten nerven, gemeinsam haben? Die Antwort ist verblüffend einfach: sie sind anders/verhalten sich anders als wir selbst.
Schauen Sie doch mal auf Ihre Liste:
• Regen Sie sich über Menschen auf, die unpünktlich sind? Ich wette, Sie selbst legen großen Wert auf Pünktlichkeit.
• Sie können Schaumschläger und Angeber*innen nicht ausstehen? Ich wette, Sie selbst stellen Ihr Licht eher unter den Scheffel.
• Langsame Menschen regen Sie auf? Bestimmt sind Sie selbst schnell in der Birne und machen mal schnell dies und das und jenes.
• Sie geraten mit rücksichtslosen Menschen in Konflikte? Sie selbst nehmen wahrscheinlich möglichst Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer.
Oh ja, da bin ich völlig bei Ihnen. Geht mir genauso. Ätzend, diese Unarten! Unmöglich, diese Menschen!
Bevor wir uns gegenseitig unsere moralische Überlegenheit um die Ohren hauen, lieber ein kleiner Ausflug in die Psychologie, also das Wissen vom Menschen. Dort gibt es drei Grundannahmen, die wir uns auf der Zunge zergehen lassen können:
• In gewisser Weise ist jeder Mensch wie die meisten anderen Menschen. Haben Sie heute Morgen nicht auch Ihre Zähne geputzt?
• In gewisser Weise ist jeder Mensch wie einige andere Menschen. Mögen Sie Feldhockey oder Synchronschwimmen?
• In gewisser Weise ist jeder Mensch wie kein anderer Mensch. Stimmt.
Für mich war die folgende Erkenntnis ein Riesensprung zum inneren Seelenfrieden: Ich bin gar nicht das »Urmuster« der Schöpfung.
Und meine Prägungen durch Familie oder Erziehung sind anders als die anderer Menschen. Ich habe andere Werte als andere Menschen. Andere haben andere Vorstellungen vom Leben als ich. Ach, guck! Meine Erkenntnis daraus (die Sie gern übernehmen können): Ich muss mich gar nicht über »die anderen« aufregen. Ich kann akzeptieren, dass andere Menschen anders sind als ich selbst, dass sie anders denken und anders handeln. Und ich bin deswegen nicht besser als sie – nur anders. Puh, das muss man erst einmal verdauen Wie wär’s mit einer Tasse Kaffee oder Tee darauf?
Na schön, Frau Philosophin, denken Sie vielleicht, was mache ich, wenn ich mit weniger erleuchteten Menschen zusammenrumpele? Wenn andere meinen seelischen Vorgarten rücksichtslos zertrampeln? Wenn andere Streit suchen, mich immer wieder kränken, mir das Leben zur Hölle machen? Soll ich alles einfach hinnehmen und immer nur lächeln? Nein, heißt meine Antwort. Da hätte ich etwas anderes im Angebot: Wie wäre es mit dem Mittel der kreativen Konfliktlösung? Klingt kompliziert? Ist es nicht. Mein einfaches Rezept für Glück und Seelenfrieden: jede Menge Gehirnschmalz, viel Humor, ein bisschen Großzügigkeit, Lust am Spielen, verzeihen können, eine Prise Überraschung – ach ja, und die Backform sorgsam mit Menschenliebe einreiben.
Menschenliebe, überhaupt Liebe in jeder Form, ist eine Grundvoraussetzung, um unseren Seelenfrieden zu finden.
Das haben Menschen immer schon gewusst. Aus der fast 3000 Jahre alten indischen Schrift Upanishaden (ein Teil der Heiligen Schrift des Veda, Indien, ca. 700 vor Christus) stammt diese heute noch genauso geltende Erkenntnis:
• Pflicht ohne Liebe macht verdrießlich.
• Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos.
• Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart.
• Wahrheit ohne Liebe macht kritisch.
• Erziehung ohne Liebe macht widerspenstig.
• Klugheit ohne Liebe macht gerissen.
• Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch.
• Ordnung ohne Liebe macht kleinlich.
• Sachkenntnis ohne Liebe macht hochmütig.
• Besitz ohne Liebe macht geizig.
• Glaube ohne Liebe macht fanatisch.
Und ich möchte ergänzen: Recht haben ohne Liebe macht einsam.
Deshalb also kreative Konfliktlösungen! Sie haben zum Ziel, die Beziehung mit Menschen um Sie herum zu pflegen und zu verbessern. Sie selbst sind das beste Mittel, damit es Ihnen trotz aller Widrigkeiten, ausgelöst durch andere Menschen, gut geht. Damit Sie Stress loslassen, Ihr Gemüt sich erhellt, Sie Raum für gute Gedanken und volle Kraft zum Leben bekommen.
Dazu kann auch die Erkenntnis beitragen: »Niemand tut etwas ohne Grund.« Dabei geht es nicht darum, es allen Menschen recht machen zu wollen oder auch noch »die linke Backe hinzuhalten«. Es geht nicht um »zu Kreuze kriechen“ oder »schön Wetter machen«. Sondern es geht um das, was der griechische Philosoph Epikur zu einem der bedeutendsten Lebensziele erhob. Er nannte es »Ataraxie«. Was wie ein Rückenleiden klingt, bedeutet »absolute Seelenruhe«.
Ich finde, allein das Wort beruhigt. Stellen Sie sich vor, jemand ärgert Sie und Sie antworten einfach lächelnd »Ataraxie« … Was verbindet Epikurs Ataraxie mit kreativer Konfliktlösung? Es geht darum, die Lust am Leben auszukosten. Dies aber, ohne die »Ego-Sau« herauszulassen. Seelenfrieden schließt gute Beziehungen zu anderen Menschen ein. Und auf diesem Weg strahlt die Lust am Leben positiv in die Welt aus.
Ich bin fest davon überzeugt: Wenn Sie durch kreative Konfliktlösungen das Verhältnis zu Familie und Nachbarschaft, zu Kolleg*innen oder Freund*innen verbessern können, wenn Sie Spannungen abbauen, das Klima entspannen, Friedenstauben aufsteigen lassen, dann profitiert auch die Welt von Ihrer souveränen Haltung. Stellen Sie sich vor, es gäbe Millionen friedfertiger Mitmenschen mehr – unser aller Leben würde leichter und fröhlicher werden.
(Auszug aus: Asgodom, Sabine: Der kleine Konflikt-Lösungs-Coach, Kösel Verlag 2015.)
Klingt sehr gut